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Straftat der fahrlässigen Körperverletzung im türkischen Recht

Fahrlässige Körperverletzung: Straftat und Strafe in der Türkei

Fahrlässige Körperverletzung ist eine eigenständige Straftat nach türkischem Recht, die auftritt, wenn eine Person durch nachlässiges oder rücksichtsloses Verhalten den Körper, die Gesundheit oder die kognitiven Fähigkeiten einer anderen Person schädigt. Im Gegensatz zur vorsätzlichen Körperverletzung beabsichtigt der Täter bei fahrlässiger Körperverletzung nicht das schädliche Ergebnis, versäumt jedoch die gesetzlich erforderliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit, was zu einer Verletzung des Opfers führt. Dieser grundlegende Unterschied im subjektiven Element hat den türkischen Gesetzgeber dazu veranlasst, die fahrlässige Körperverletzung als eigenständiges Delikt mit eigenen Regeln und Strafen zu etablieren.

Nach Artikel 89 des türkischen Strafgesetzbuches wird die fahrlässige Körperverletzung im zweiten Teil des zweiten Buches unter dem Titel „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ geregelt. Die Straftat schützt die körperliche Integrität und Unversehrtheit von Personen und umfasst sowohl das physische als auch das psychische Wohlbefinden. Das türkische Recht erkennt an, dass die körperliche Unversehrtheit nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein gesellschaftlicher Wert ist, weshalb selbst fahrlässige Verletzungen strafrechtlich geahndet werden.

 

Rechtliche Definition und Elemente der fahrlässigen Körperverletzung in der Türkei

Gemäß Artikel 89/1 des türkischen Strafgesetzbuches liegt eine fahrlässige Körperverletzung vor, wenn eine Person durch Fahrlässigkeit einer anderen Person Schmerzen zufügt, deren Gesundheit beeinträchtigt oder deren kognitive Fähigkeiten stört. Die Straftat ist durch drei alternative Folgen gekennzeichnet:

Körperliche Schmerzen: Jedes schädliche Verhalten, das die körperliche Integrität in nicht trivialer Weise verletzt und dem Opfer materielles Leiden zufügt. Dies umfasst verschiedene Formen der Misshandlung, die zu körperlichem Unbehagen oder Schmerzen führen.

Gesundheitsbeeinträchtigung: Jede Störung oder Beeinträchtigung der Gesundheit des Opfers, ob vorübergehend oder dauerhaft. Das türkische Recht betrachtet Gesundheit als das ordnungsgemäße Funktionieren des menschlichen Körpers und Geistes, und jede durch fahrlässiges Verhalten verursachte Unregelmäßigkeit fällt in diese Kategorie.

Kognitive Beeinträchtigung: Handlungen, die eine Person daran hindern, sich ihrer eigenen Existenz bewusst zu sein, ihre Denk- und Urteilsfähigkeit stören oder ihre Fähigkeit beeinträchtigen, nach ihrem eigenen Willen zu handeln, sei es teilweise oder vollständig. Dies umfasst vorübergehende oder dauerhafte Abweichungen vom normalen psychischen und psychologischen Zustand des Opfers.

 

Strafrechtliche Verantwortung und Verschulden im türkischen Recht

Der Täter wird in Fällen fahrlässiger Körperverletzung zur Verantwortung gezogen, weil er aufgrund seiner Verletzung objektiver Sorgfaltspflichten ein vorhersehbares und vermeidbares Verletzungsergebnis nicht vorhergesehen hat. Türkische Gerichte haben festgestellt, dass fahrlässige Straftaten mehrere wesentliche Elemente erfordern: Die Handlung muss eine Straftat sein, die durch Fahrlässigkeit begangen werden kann, die Bewegung muss willentlich sein, das Ergebnis muss unbeabsichtigt sein, es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen Handlung und Ergebnis bestehen, und das Ergebnis muss für den Täter vorhersehbar, aber nicht vorhergesehen gewesen sein.

Das türkische Strafgesetzbuch stellt keine besonderen Anforderungen an die Identität des Täters bei fahrlässiger Körperverletzung. Jede Person mit Schuldfähigkeit kann diese Straftat begehen. Gemäß Artikel 31 des türkischen Strafgesetzbuches fehlt Kindern, die zum Zeitpunkt der Tat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die strafrechtliche Verantwortlichkeit und sie können nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Das Opfer einer fahrlässigen Körperverletzung muss zum Zeitpunkt der Tatbegehung ein lebender Mensch sein. Die körperlichen Merkmale, das Geschlecht, die Rasse, die Sprache, die Religion oder der Gesundheitszustand des Opfers beeinflussen nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat. Auch Personen mit ungewöhnlichem körperlichen Erscheinungsbild sind durch die Bestimmungen des türkischen Rechts zur fahrlässigen Körperverletzung geschützt.

 

Strafen für fahrlässige Körperverletzung nach dem türkischen Strafgesetzbuch

Grundform der fahrlässigen Körperverletzung

Die Grundform der fahrlässigen Körperverletzung gemäß Artikel 89/1 wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet. Türkische Gerichte haben nach pflichtgemäßem Ermessen die Befugnis, die angemessene Strafe innerhalb dieser Bandbreite auf der Grundlage der Umstände des jeweiligen Falles zu bestimmen. Das Gesetz bietet Richtern die Möglichkeit, entweder eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe zu verhängen, was Flexibilität bei der Strafzumessung ermöglicht.

Erschwerende Umstände: Erhöhung um die Hälfte

Das türkische Recht sieht erhöhte Strafen vor, wenn eine fahrlässige Körperverletzung bestimmte spezifizierte Folgen nach sich zieht. Wenn die fahrlässige Handlung eines der folgenden Ergebnisse verursacht, wird die Grundstrafe um die Hälfte erhöht:

  • Dauerhafte Schwächung eines Sinnesorgans oder Organs des Opfers
  • Knochenbruch irgendwo im Körper
  • Dauerhafte Sprachschwierigkeiten
  • Dauerhafte Narbenbildung im Gesicht
  • Lebensbedrohlicher Zustand
  • Frühgeburt des Kindes einer schwangeren Frau (wenn lebend geboren)

Bemerkenswert ist, dass das türkische Recht nicht zwischen der Lage oder Schwere von Knochenbrüchen unterscheidet – ob ein Fingerknochen oder Oberschenkelknochen, der erschwerende Umstand gilt gleichermaßen. Ebenso schützen die Bestimmungen über Gesichtsnarben speziell den Bereich von der Stirn bis zum Kinn und von Ohr zu Ohr und erkennen die besondere Bedeutung des Gesichtsaussehens für die persönliche Identität an.

Erschwerende Umstände: Verdoppelung der Strafe

Wenn eine fahrlässige Körperverletzung zu schwereren Folgen führt, schreibt das türkische Strafgesetzbuch eine Verdoppelung der Grundstrafe vor. Diese Umstände umfassen:

  • Unheilbare Krankheit oder vegetativer Zustand
  • Vollständiger Verlust der Funktion eines Sinnesorgans oder Organs
  • Verlust der Sprach- oder Fortpflanzungsfähigkeit
  • Dauerhafte Entstellung des Gesichts
  • Fehlgeburt des Kindes einer schwangeren Frau

Die Unterscheidung zwischen „Schwächung“ und „vollständigem Verlust“ der Organfunktion ist im türkischen Strafrecht von entscheidender Bedeutung. Selbst wenn paarige Organe vorhanden sind (wie Augen oder Nieren), stellt der Verlust eines Organs einen vollständigen Funktionsverlust und nicht nur eine Schwächung dar, da beide Organe zusammenarbeiten, um die volle Funktionalität zu gewährleisten.

Bewusste Fahrlässigkeit

Das türkische Recht erkennt eine verschärfte Form der Fahrlässigkeit an, die als „bewusste Fahrlässigkeit“ (bilinçli taksir) bezeichnet wird und bei der der Täter das mögliche schädliche Ergebnis voraussieht, aber trotzdem handelt, weil er glaubt, es verhindern zu können. Dies stellt einen Mittelweg zwischen einfacher Fahrlässigkeit und Vorsatz dar. Wenn eine fahrlässige Körperverletzung mit bewusster Fahrlässigkeit begangen wird, wird die Strafe um ein Drittel bis zur Hälfte erhöht, und die Freiheitsstrafe kann nicht in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Bei der Grundform der Körperverletzung (Artikel 89/1) bleibt die Strafverfolgung jedoch auch bei bewusster Fahrlässigkeit von einem Strafantrag abhängig.

 

Verfahrensrechtliche Aspekte im türkischen Strafrecht

Strafantragserfordernis

Ein charakteristisches Merkmal der fahrlässigen Körperverletzung nach türkischem Recht ist, dass Ermittlung und Strafverfahren grundsätzlich von einem Strafantrag abhängig sind. Das Opfer oder die verletzte Partei muss innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis des Vorfalls und der Identität des Täters einen Strafantrag stellen. Diese Frist kann die Verjährungsfrist nicht überschreiten. Das Strafantragserfordernis dient dazu, gesellschaftliche Interessen mit individueller Autonomie in Einklang zu bringen und es den Opfern zu ermöglichen, selbst zu entscheiden, ob sie eine strafrechtliche Verfolgung anstreben.

Es besteht jedoch eine wichtige Ausnahme: Wenn eine fahrlässige Körperverletzung mit bewusster Fahrlässigkeit begangen wird und Folgen über die einfache Körperverletzung hinaus verursacht (alles außer Artikel 89/1), erfolgt die Strafverfolgung von Amts wegen ohne Erfordernis eines Strafantrags.

Versöhnungsverfahren

Das türkische Strafprozessrecht sieht bei fahrlässiger Körperverletzung ein Versöhnungsverfahren (uzlaşma) vor. Während der Ermittlungsphase können Staatsanwälte oder Justizpolizeibeamte eine Versöhnung zwischen dem Verdächtigen und dem Opfer vorschlagen. Alle Parteien müssen Versöhnungsvorschläge innerhalb von drei Tagen annehmen, und in Fällen mit mehreren Opfern müssen alle zustimmen. Eine erfolgreiche Versöhnung führt zur Einstellung des öffentlichen Strafverfahrens und bietet einen alternativen Lösungsmechanismus, der den Interessen beider Parteien dient.

Gerichtsverfahren und Zuständigkeit

Fälle fahrlässiger Körperverletzung fallen in die Zuständigkeit der Strafgerichte erster Instanz (Asliye Ceza Mahkemeleri) in der Türkei, unabhängig davon, ob die Grund- oder erschwerten Formen angeklagt werden. Das türkische Strafrechtssystem folgt einem zweistufigen Verfahren: Ermittlung (soruşturma) und Strafverfolgung (kovuşturma). Die Ermittlungsphase wird von Staatsanwälten durchgeführt und endet entweder mit einer Anklageerhebung oder einem Beschluss über Nichtverfolgung. Die Verfolgungsphase beginnt, wenn das Gericht die Anklageschrift akzeptiert, und dauert bis zur Rechtskraft des Urteils.

Festnahme und Untersuchungshaft

Nach dem türkischen Strafprozessrecht können Verdächtige in Fällen fahrlässiger Körperverletzung aufgrund einer Entscheidung des Staatsanwalts bis zu 24 Stunden ab dem Zeitpunkt der Festnahme festgehalten werden. Untersuchungshaft (tutuklama) erfordert jedoch eine richterliche Anordnung und kann für die Grundform der fahrlässigen Körperverletzung nicht verhängt werden, da diese eine Höchststrafe von weniger als zwei Jahren vorsieht. Bei erschwerten Formen mit höheren Strafandrohungen kann Untersuchungshaft möglich sein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, einschließlich dringendem Tatverdacht und spezifischen Haftgründen wie Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr.

 

Verjährung und zeitliche Schranken

Die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung wegen fahrlässiger Körperverletzung in der Türkei beträgt gemäß Artikel 66 des türkischen Strafgesetzbuches acht Jahre ab dem Datum der Tatbegehung. Wenn während dieser Frist unterbrechende Ereignisse eintreten, kann sich die maximale Verjährungsfrist auf zwölf Jahre verlängern. Für jugendliche Straftäter gelten verkürzte Verjährungsfristen: die Hälfte der Standardfrist für Personen im Alter von 12 bis 15 Jahren und zwei Drittel für Personen im Alter von 15 bis 18 Jahren.

Das türkische Recht sieht keine Bestimmungen über tätige Reue (etkin pişmanlık) bei fahrlässiger Körperverletzung vor, da diese Rechtsinstitution nur bei bestimmten Straftaten gilt, bei denen sie ausdrücklich geregelt ist.

 

Alternative Sanktionen und richterliches Ermessen

Türkische Strafgerichte haben bei der Verurteilung von Tätern fahrlässiger Körperverletzung mehrere Instrumente zur Verfügung. Über die Festsetzung der Grundstrafe hinaus können Richter verschiedene Milderungsgründe anwenden, einschließlich altersbedingter Ermäßigungen, Wohlverhaltensrabatte und Überlegungen zur geistigen Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 62 des türkischen Strafgesetzbuches.

Zurückstellung der Urteilsverkündung: Wenn die verhängte Strafe zwei Jahre oder weniger beträgt, können türkische Gerichte die Verkündung des Urteils zurückstellen und den Angeklagten unter eine Bewährungsaufsicht stellen. Wenn während dieser Zeit keine vorsätzliche Straftat begangen wird und die Auflagen erfüllt werden, wird das Strafverfahren vollständig eingestellt.

Strafaussetzung: Freiheitsstrafen von zwei Jahren oder weniger können nach türkischem Recht ausgesetzt werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die verurteilte Person bleibt frei, unterliegt jedoch bestimmten Bedingungen, und ein Verstoß gegen diese Bedingungen kann zur Vollstreckung der ausgesetzten Strafe führen.

Umwandlung in Geldstrafe: In Fällen einfacher Fahrlässigkeit (nicht bewusster Fahrlässigkeit) können Freiheitsstrafen unter bestimmten Umständen in Geldstrafen umgewandelt werden, was eine weniger strafende Alternative bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Verantwortlichkeit bietet.

 

Fazit

Fahrlässige Körperverletzung stellt eine bedeutende Kategorie von Straftaten im türkischen Recht dar und schafft ein Gleichgewicht zwischen dem Bedürfnis, die körperliche Unversehrtheit zu schützen, und der Anerkennung, dass nicht alle Schäden aus vorsätzlichem Verhalten resultieren. Der detaillierte Rahmen des türkischen Strafgesetzbuches sieht verhältnismäßige Strafen entsprechend der Verletzungsschwere vor und bietet gleichzeitig Verfahrensmechanismen wie Strafantragserfordernis und Versöhnung, die die Autonomie des Opfers respektieren. Das Verständnis dieser Bestimmungen ist für jeden, der an türkischen Strafverfahren beteiligt ist, unerlässlich, sei es als Opfer, Angeklagter oder Rechtsvertreter.

Die Komplexität von Fällen fahrlässiger Körperverletzung in der Türkei – insbesondere in Bezug auf Kausalitätsanalyse, Bewertung medizinischer Beweise und die Unterscheidung zwischen einfacher und bewusster Fahrlässigkeit – macht eine professionelle rechtliche Vertretung unerlässlich. Ausländische Staatsangehörige, die mit Anschuldigungen wegen fahrlässiger Körperverletzung konfrontiert sind oder Strafanträge in der Türkei stellen möchten, sollten qualifizierte rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen, um sich effektiv im türkischen Strafjustizsystem zurechtzufinden.

 


 

Soylu Law wurde von Rechtsanwalt Ozan Soylu gegründet und ist eine türkische Anwaltskanzlei, die sich auf türkisches Strafrecht und grenzüberschreitende Rechtsangelegenheiten spezialisiert hat. Unser Team verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Vertretung ausländischer Mandanten und der Bearbeitung komplexer internationaler Fälle innerhalb des türkischen Rechtssystems. Wir bieten umfassende Rechtsdienstleistungen in Fällen fahrlässiger Körperverletzung, von der ersten Strafantragsstellung über die Verhandlung bis hin zu Rechtsmitteln, und stellen sicher, dass unsere Mandanten in jeder Phase des Strafverfahrens in der Türkei fachkundige Beratung erhalten.

 

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